Als Sie 1939 ins Reich kamen, waren Sie ja zusammen mit jungen Menschen, die, wie Sie sagten, anders erzogen waren. Sie persönlich waren nicht im Nationalsozialismus erzogen worden.Was war anders bei diesen jungen Menschen, die nationalsozialistisch erzogen waren?

Sie waren so kolossal begeisterungsfähig, was wir schon immer sehr skeptisch sahen. Dieses Knallen und Marschieren und die Mädchen und „Heil Hitler“, also ich fand es grausig. Wir hatten im Baltikum ja auch die blauen Schlipse und die grünen Schlipse, die blauen Schlipse waren die Pfadfinder, und wir grünen waren ja nur eine kleine Gruppe, das war eine christliche Richtung. Das war für mich damals der Mittelpunkt. Und wie wir dann nach Deutschland kamen und so vieles mitbekamen, was nicht  gut war...

Was bekamen Sie zu hören?

Nun, wir waren ja in diesem Umsiedlerlager, in dieser Einbürgerungsgeschichte hab ich gearbeitet, na ja, da kamen dann die SS-Leute usw. und tätschelten, und dann gab ich ihnen eine Ohrfeige, denn ich war das nicht gewohnt, dass man mich irgendwie anfasst.
Ich fiel natürlich dann auch in Ungnade  - „Ach, das ist ja eine affenblöde Pute!“- aber das störte mich nicht weiter, ich bin den ganzen Krieg ungetätschelt durchgekommen, weil ich knallte.

Das war aber sonst durchaus üblich, dass SS-Angehörige tätschelten? Versuchten sie damit, ihre Autorität auszunutzen?

Nein, das würde ich eigentlich nicht sagen. Schauen Sie, wir waren im Krieg.

Wurden Sie gefragt, ob Sie in die Partei gehen wollten?

Wir alle wollten natürlich nicht in die Partei gehen. Da haben sie gerade bei den jungen Leuten, die ihre Einbürgerungserklärung unterschrieben und die so echt germanisch aussahen, das Formular herausgezogen, und da hatten sie ihren Eintritt in die SS schon mit unterschrieben, ohne dass sie in irgendeiner Weise aufgeklärt worden waren. Es war auch niemand misstrauisch, wir kamen ja nach Hause, wir kamen ja ‚heim ins Reich’. Aber die Erfahrungen waren dann teilweise eben nicht so gut.
Wie wir das gemerkt haben, ging das natürlich wie ein Lauffeuer: „Bitte unterschreibt nichts. Schaut nach, was da noch drunter liegt.“ Aber es wurde probiert, immer wieder.

 


 

Wie entsteht das Buch

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